WAS VERSTEHE ICH UNTER EINER TRAUMAPÄDAGOGISCHEN HALTUNG?!
In der Zusammenarbeit mit lebensgeschichtlich und seelisch stark belasteten Menschen kommt dem Thema Sicherheit und Schutz sowie einem angemessenen Ausbalancieren zwischen Nähe und Distanz und
der Selbstregulation besondere Bedeutung zu. In der Regel wurden in der Vergangenheit (Grund-)Bedürfnisse massiv enttäuscht und verletzt.
Sichere Bezugspersonen - und damit konstante, zuverlässige und Ver-trauen schaffende Bindungen und Beziehungen -, sichere innere und äußere Orte sowie sichere Rahmenbedingungen des Trägers
spielen in der Traumapädagogik prägende Rollen. Sie sind meiner Erfahrung nach Grundlagen, die in der pädagogischen Arbeit auf allen Ebenen und wiederkehrend Berücksichtigung finden sollten.
Durch Trauma (einfache Übersetzung: Wunde) verursachende Erlebnisse ist der Blick auf die eigene Person, andere Menschen und die Welt an sich beeinträchtigt. Man kann es bildlich so ausdrücken, dass die Be-troffenen sich selbst und ihre Umwelt durch eine Art „Traumabrille“ betrachten und geradezu erwarten, dass sich negative Erfahrungen auch in der Zukunft fortsetzen.
Als Traumapädagogische Beraterin unterstütze ich Menschen dabei, ihre Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse und ihren Körper sowie ihr Handeln und die Wirkung, die sie auf andere Menschen haben, (wieder besser) wahr-zunehmen, zu verstehen und zu steuern sowie sich selbst zu akzeptieren. So lässt sich im direkten Austausch immer wieder das fördern, was man in der Traumapädagogik als „Selbstbemächtigung“ bezeichnet.
In diesem Sinne setze ich in der Zusammenarbeit mit Klienten und Fach-kräften auch gerne interaktive sozialpädagogische Diagnostik und erlebnisorientierte Übungen zur Ressourcensuche und Ich-Stärkung ein. Letzteres ist besonders vielversprechend, wenn der Kontakt sich nicht auf eine Kurzberatung beschränkt, sondern in Beziehungsarbeit eingebunden ist.
Eine meiner beruflichen Lieblingsbeschäftigungen ist es, zu überlegen, wie Wissen über Trauma alters-, entwicklungs- und genderentsprechend vermittelt werden kann. Rückmeldungen von Klienten und Fachkräften zur Anwendbarkeit meiner Vorschläge weiß ich zu schätzen. Traumapädagogik und Traumaforschung sind meiner Meinung nach im Fluß und entwickeln sich weiter. Dementsprechend ergänze ich auch gerne mein Seminarprogramm und achte darauf, dass es sich am Bedarf der pädagogischen Praxis orientiert.
Zudem bin ich mit langem Atem gemeinsam mit allen Beteiligten auf der Suche nach dem, was in der Traumapädagogik als „der gute Grund“ bezeichnet wird. Dieser ist nicht immer direkt für Klient und
Fachkraft sichtbar, steckt aber in und hinter den traumatischen Erfahrungen und den sich oft anschließenden selbst- oder/und fremdschädigenden Ver-haltensweisen.
Letztere setze ich unter Einbeziehung von offen gemachtem Trauma-wissen in einen größeren Rahmen. Damit bekommen Klient und Fachkraft auch zu heftigen Situationen meist hilfreiche und
entspannende Distanz.
Der „gute Grund“ ist übrigens ein provokanter Gedanke, weil ein großer Teil der Gesellschaft Vieles, was im „Traumabereich“ geschieht, nicht als „normal“ einstufen würde.
Für den Klienten, sein Selbstbild und sein Umfeld ist es wichtig, zu wissen, dass sein Verhalten aber erklärbar und „normal“ in Anbetracht einer „unnormalen“ Belastung (Trauma) ist.
Eine wertschätzende Grundhaltung und die Anerkennung des Klienten als Experten für sein eigenes Leben ist in der Traumapädagogik grundlegend. In der Zusammenarbeit mit anderen Menschen haben für
mich Trans-parenz und Partizipation einen hohen Stellenwert.
Sie werden bemerken, dass ich wiederholt die Beschreibung „trauma-erfahren" (neben „traumatisiert") nutze, wenn ich über Klienten aus der Sozialen Arbeit spreche. Das tue ich, um ihr
Erfahrungswissen anzuer-kennen und neben der unfreiwilligen Opferrolle den Willen und die Kraft zu betonen, die diese Menschen auszeichnet, welche ich oft als Über-lebenskünstler erlebe.
Nach Wertschätzung der alten Überlebensstrategien geht es dann darum, die Klienten bei der Entwicklung von neuen Strategien zu begleiten, mit denen sie bspw. besser mit Stresssituationen umgehen
können.
Traumapädagogik verbindet Inhalte aus den Erziehungswissenschaften, der Bindungstheorie und Resilienzforschung sowie der Psychotrauma-tologie und Therapie.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass sie nicht allein für die Arbeit mit traumatisierten Klienten(-systemen) wertvoll, sondern grund-sätzlich hilfreich für die Beschreibung, Gestaltung und Problemlösung im Zwischenmenschlichen und damit auch für alle Beratungs- und Bezie-hungssituationen ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Traumapädagogik für mich nicht nur eine bestimmte pädagogische Richtung, sondern eine mein Arbeits- und Privatleben mitbestimmende Haltung ist, die sich mit neuen Erfahrungen, welche ich - wie jeder Mensch es im Leben tut - sammele, fließend weiterentwickelt.
Ab und an sorgt sie auch dafür, dass ich mich vor Herausforderungen gestellt fühle, die den Puls (nicht unbedingt nur im angenehmen Sinne) beschleunigen.
Vielleicht haben Sie beim Lesen der Zeilen Lust bekommen, sich näher mit diesem spannenden Thema auseinanderzusetzen und überlegen, wie traumapädagogisches Wissen und eine entsprechende Haltung ihren Arbeitsalltag bereichern können? Im Seminarprogramm und meinem Beratungsangebot haben traumapädagogische Inhalte ihren festen Platz. Ich würde mich freuen, wenn ein Kontakt zu Stande kommt.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Viele Grüße,
Christina Jentsch